Mittwoch, 23. Juni 2010

Zufallstabellen als Kreativitätsmittel

Die Rolle des Spielleiters war für mich immer eine der schönsten Rollen als Rollenspieler. Ich liebe es auch, unter einem guten Spielleiter zu spielen, aber selbst die Welt zu gestalten und eine Gruppe von Spielern atemlos unter Hochspannung zu halten, hat mir immer ein extrem befriedigendes Gefühl gegeben. Aber auch Spielleiter haben mal bessere und mal schlechtere Tage und das sind die Momente, in denen meines Erachtens "Spielleiterhandbücher" besonders gefragt sind und wo sich die Spreu vom Weizen trennt. Was ist daher die Philosophie von Hexer & Helden Band II: Verliese & Wälder - dem "Spielleiterhandbuch" für H&H?

Ich versuche bislang sowohl aus eigener Überzeugung als auch aufgrund des sinnvollen Appells des Ogers an folgender Maxime zu orientieren:
  • Ein Spielleiterhandbuch muss alle Regeln bereitstellen, die nur für den SL interessant sind, um gewisse Kampagnenaktivitäten abzuwickeln (Herstellen magischer Gegenstände, Erfinden von Zaubersprüchen, Schlachten, Reaktionstabellen, Wildnisbegegnungen, usw.). Das ist sozusagen die Pflicht.
  • Ein Spielleiterhandbuch muss den SL beim Bau und der Entwicklung seiner Kampagne helfen. Damit meine ich primär nicht allgemeine Hinweise zu der Frage "Wie ist man ein guter Spielleiter?" sondern eher Themen wie "Wie werden Städte entwickelt?", "Was macht ein Verlies aus?", "Welche Arten von Plots unterstützt das System besonders gut?", "Wie entwickle ich schnell interessante NSC?", usw.
Gerade Letzteres empfinde ich auch als schwierig und herausfordernd, da die Bandbreite an Möglichkeiten immer sehr groß zu sein scheint. Hier setze ich dann für H&H wieder auf das Prinzip der variablen Rekombination - diesmal nur für den Spielleiter.

Mit anderen Worten: Zufallstabellen.

Dies mag auf den ersten Blick enttäuschend wirken, für mich kann ich aber rückblickend sagen, dass es eine Reihe von Zufallstabellen in AD&D 1 und 2 gibt, die viele unserer Kampagnen immens belebt haben:
  • Charaktereigenschaften für NSC - die haben wir sogar zeitweise verwendet, um zufällige SC auszuwürfeln und mit denen zu spielen. Sind 1-2 denkwürdige Charaktere bei rausgekommen :-)
  • Wildnisbegegnungstabellen - immer gut, um eine Reise etwas zu beleben und mit dem zu "überleben", was das Schicksal bereithält
  • Zufallsbegegnungen in Städten - mit der Tabelle aus dem DMG 1st Edition haben wir ganze Tage gefüllt mit Charakteren, die einfach nachts durch eine große Stadt gezogen sind. Was da alles an Mördern, Vampiren und anderen seltsamen Personen lauerte... total spannend, witzig und erinnerungswürdig. Vielleicht nicht sehr glaubwürdig, aber auf jeden Fall spaßig.
  • u.v.a.m.
Band II: Verliese & Wälder von H&H wird daher auch eine große Zahl von Zufallstabellen liefern, die insbesondere miteinander kombiniert werden können, um Orte, Personen, Ereignisse oder Abenteuerplots zufällig zu entwerfen. Genau dann besonders gut verwendbar, wenn dem SL mal Ideen ausgehen oder er sich auch einfach spontan treiben lassen und improvisieren möchte.

Hier ein vorläufiger Auszug einiger solcher Zufallstabellen aus Band II: Verliese & Wälder:

Tabelle D: Besondere Siedlungsmerkmale
Tabelle E: Kulturelle Eigenarten
Tabelle F: Herrschaftsformen
Tabelle G: Besondere Bauweisen
Tabelle H: Zufällige Rasse
Tabelle M: Zufällige Gesinnung
Tabelle I: Geschlecht
Tabelle J: Altersstufe
Tabelle N: Charaktereigenschaften
Tabelle K: Größe
Tabelle L: Gewicht
Tabelle O: Klassigkeit
Tabelle R: CS von NSC
Tabelle S: Magische Gegenstände bei NSC
Tabelle P: Vermögen von NSC
...
Tabelle W: Drahtzieher in Verliesen
Tabelle Y: Motivation für Verliesabenteuer
Tabelle X: Drahtzieher in Siedlungen
Tabelle Z: Motivation für Siedlungsabenteuer
Tabelle AA: Auslöser für Abenteuer
...

Die Granularität und Bandbreite (von Herrschaftsformen bis Geschlecht, von Größe bis zu Drahtziehern in Verliesabenteuern) ist offensichtlich sehr unterschiedlich (und Begegnungstabellen sind hier nicht mal aufgelistet, da sie eigene Kapitel haben), aber die Idee hinter all' diesen Tabellen ist, dass interessante Zufallskombinationen bei kreativen Engpässen häufig besser sind als verkrampfte Versuche eines gestressten Spielleiters ;-)

Als Beispiel mag mal die aktuelle Fassung der Tabellen für Zufallsplots in Siedlungen dienen. Das Szenario ist einfach: Die Charaktere befinden sich auf einer längeren Reise und erreichen eine von mehreren Siedlungen auf dem Weg, die der SL nicht zwingend vorbereitet hat (vielleicht, weil zu Beginn der Sitzung nicht mal abzusehen war, dass die Charaktere Lust auf eine längere Reise haben werden - ich liebe spontane Szenarien ;-) ).

Gehen im no partout die Idee aus für die nächste Siedlung, kann er zuerst ermitteln, was für eine Siedlung es ist (inklusive Besonderheiten - dabei helfen insbesondere die Tabellen D-G, auf die ich hier im Moment nicht weiter eingehen möchte). Will er die Abenteurer dann auch noch etwas in der Siedlung beschäftigen, kann er - spontanen Ideenmangel vorausgesetzt - mit drei Würfen einen zufälligen Plot generieren:
  • Auf Tabelle X ermittelt er den Drahtzieher für den Plot:

  • Auf Tabelle Z ermittelt er die Motivation für den Plot:
  • Auf Tabelle AA ermittelt er den Aufhänger, über den die Abenteurer in den Plot verstrickt werden:


Alleine die simple Kombination der Möglichkeiten liefert bereits 18x14x16 = 4032 Plotstarts. Und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass in seltenen Fällen der Drahtzieher oder die Motivation auch aus den Verliestabellen stammen kann, was die Anzahl der Möglichkeiten noch mal drastisch vergrößert. Kombiniert mit zufällig ausgewürfelten NSC mit zufällig ausgewürfelten Charaktereigenschaften und zufällig ausgewürfelten Siedlungen mit Besonderheiten, kulturellen Eigenheiten, usw. kommt man damit auf eine schier unerschöpfliche Ideenquelle. Und gefällt einem eine Idee nicht, kann man ja noch mal würfeln.

Mir hat dies immer sehr geholfen, ein Abenteuer in Schwung zu halten, auch wenn einem selbst die Ideen mal ausgehen. Ab einem gewissen Punkt klappt das dann wieder mit der Improvisation - nur ist die Einstiegshürde manchmal nicht einfach zu nehmen.

Klar dürfte damit auch sein, dass sich H&H nicht an beliebige Einsteiger richtet, es sei denn, sie haben echtes Improvisationstalent und keine Angst vor einem Überschuss an Kreativität. Das sind meines Erachtens aber auch wichtige Eigenschaften für die meisten Old-School-Systeme... zumindest, wenn man dauerhaft Spaß haben will.

Abschließend für mich zwei wichtige Fragen:
  • Wie steht ihr zu Zufallstabellen als kreativem Motor?
  • Welche anderen Werkzeuge würdet ihr euch - immer unter der Vorgabe von maximal 64 Seiten DIN-A5 als Wirkungsfeld - als Spielleiter wünschen?

3 Kommentare:

  1. (Sorry for not writing German)Looks interesting, did you also check the Mythic GM Emulator. This could also give you some ideas.
    Their random event generation is based on three tables. One defining the event focus and two for Event meaning.

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  2. Ich bin großer Fan von Zufallstabellen gerade als Start meiner Abenteuerplanungen. Von dem her gefällt mir das Beispiel mit den Dorfplots hier sehr gut *Daumen hoch*
    Was andere Werkzeuge angeht sieht Deine Aufstellung doch recht umfangreich aus. Ich persönlich brauche als Werkzeug immer noch eine Reihe von Listen mit Namen (für Personen, Dörfer, Monster/Tiere oder besondere Gegenstände). Je nach Setting können da auch noch weitere Stichwortlisten oder Tabellen für bestimmte Szenen dazu kommen bspw. Vokabular für Wahrsager, Rennbahn, Gerüchte in der Stadt, Zufallsbegegnungen usw.

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  3. Hallo Ulrich!

    Danke schon mal für die zusätzlichen Hinweise - ist in meine TODO-Liste aufgenommen, da ich noch das Gefühl habe, genug Platz zu haben. Bitte schicke mir auch eine E-Mail mit deinem richtigen Namen, damit ich dich in die Danksagungen zu Band II aufnehmen kann.

    Vokabular für Wahrsager finde ich besonders inspirierend :-)

    Zufallstabellen gibt es auch jede Menge - mit denen sollten Charakter der Stufen 1-20 in Verliesen sowie generische Wildnisbegegnungen abgehandelt sein. Aber die anderen Vorschläge sind echt gut - mehr davon bitte :-)

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